Die neue Welt

Führungskräfte, oft betriebswirtschaftlich exzellent gebildet, fehlt die systematische Ausbildung im Bereich Leadership. Mehr als jemals zuvor sind Führungskräfte der neuen Generation gefordert. Nicht nur Produktionsprozesse und Produkte müssen innovativ sein. Führung muss human sein. Angepasst an die Bedingungen der neuen Welt, zum Wohl des Unternehmens, des einzelnen Mitarbeiters und auch zum Wohl der ganzen Welt. Humankapital wird der wichtigste Faktor der Arbeitswelt von morgen. Und wer dieses Humankapital nicht ausgesprochen wertschätzt und entsprechend pflegt, wird ganz schnell von gestern sein!

Paradigmenwechsel ist nötig

Eine der Kernaussagen der Studie von Professor Peter Kruse aus dem Jahr 2014 zum Thema Personalführung in Deutschland ist, dass sich 75% der befragten Führungskräfte einen Paradigmenwechsel in der Führungskultur wünschen.

Jedoch ergeben sich aus der Praxis und den Notwendigkeiten der neuen Arbeitswelt vielfältige Kontroversen. Theoretisch wissend, dass der Paradigmenwechsel längst überfällig ist, werden Unternehmen allzu oft immer noch als Maschinen angesehen, die zu funktionieren haben. Interessanterweise sehen sich weniger als 15% der Führungskräfte, die sich einen Paradigmenwechsel in der Führungskultur wünschen selbst in der Lage, diesen einzuleiten. Denken und Handeln sind und bleiben in hierarchischer Weise getrennt, ähnliche Tätigkeiten sind in Ab-teilungen zusammengefasst. An diesen Relikten aus der Zeit der Industrialisierung halten Unternehmen immer noch allzu häufig fest. Hier und da dreht man an kleinen Rädchen, justiert Stellschrauben neu, um beim Bild der Maschine zu bleiben. Was zu Zeiten der Industrialisierung gut und richtig war funktioniert heute aber nicht mehr.

Viele meiner Firmenkunden habe ich bei der Implementierung von KVPs begleitet und musste immer wieder feststellen, wie gute Absichten im Arbeitsalltag untergehen. Mitarbeiter und Führungskräfte sind gleichermaßen „unter Wasser“ und verunsichert. Und weht wirklich einmal frischer Wind, ist dies oftmals gleich solch eine Boe, dass das ganze Schiff kräftigstem Seegang ausgesetzt ist, so dass die Mitarbeiter an der Reeling stehen und kotzen wollen oder müssen.

Das Problem mit der Außenreiz- Innenreizreaktion

Der immer schnellere Wandel der Welt und damit auch der Arbeitswelt lässt die Reaktion auf Außenreize viel zu träge und damit ineffizient werden. Bisher sah der Prozess wie folgt aus: Ein Außenreiz erfolgt, z.B. berichtet ein Außendienstmitarbeiter über eine Innovation der Konkurrenz, welche er beim Kunden gesehen hat. Daraufhin wird diese Information im Unternehmen so lange weitergegeben, bis sie bei der verantwortlichen Stelle angekommen ist.  Es wird eine Entscheidung getroffen, Umsetzungsstrategien beschlossen und Maßnahmen ergriffen. Schließlich geht ein Innenreiz an die Mitarbeiter zurück, welche die neuen Maßnahmen umsetzen müssen. Dieser Umgang mit Außenreizen kann nur funktionieren, wenn diese Reize selten auftreten. Wir leben jedoch  im Zeitalter der  Informationsexplosion. Unser Wissen verdoppelt sich ca. alle sieben Monate, Schätzungen zufolge geschieht dies im Jahr 2050 bereits täglich. Schwer vorstellbar, dass das alte System des Umganges mit Außenreiz-, Innenreizreaktion noch lange fort bestehen wird.

Humanes Leadership statt Human Leadership!

Führungskräften obliegt es mehr als jemals zuvor an der Attraktivität ihres Unternehmens zu arbeiten. Attraktivität nicht in Bezug auf wirtschaftliche Effizienz, sondern attraktiv für zukünftige Mitarbeiter. Der Hauptverdächtige ist dabei schnell identifiziert: die Unternehmenskultur. Die emergente Kultur hat uns nun schon einiges hervorgebracht: von Kulturentwicklungsprogrammen über Feedbackgespräche von Chefs zu Mitarbeitern, die sie kaum kennen, Kommunikationsseminare, an denen die Mitarbeiter kein Interesse haben bis hin zu Feelgood-Managern.  Warum funktioniert das nicht? Weil die Kausalität verkehrt herum ist.  Unternehmenskultur kann man nicht kopieren oder implantieren. Unternehmenskultur ist das Gedächtnis und der Schatten eines Unternehmens und erwächst nur aus sich selbst. Und wenn oben genannte Maßnahmen aus der eigenen Unternehmenskultur erwachsen: Prima! Umgekehrt werden sie niemals eine gute Kultur erzeugen können. Das ist wie Paracetamol gegen Schmerzen.

Ein effektiveres Mittel ist es, den Mitarbeiter wahrhaft in den Blick zu nehmen und ihn zu fragen:

1. Was machst du besonders gerne?
2. Was kannst du besonders gut?
3. Was davon brauchen wir gerade im Unternehmen?

Eruiert man die Schnittmenge der Antworten, so gewinnen alle.
Das ist intelligent und das ist humane Führung.

Tanja
Tanja

Expertin für Autonomie und praktische Freiheit
Mutter zweier perfekten Unperfektionistinnen (20 + 26 Jahre)
Pädagogin und Philosophin und immer wieder Lernende
Seit über 20 Jahren: Organisationsberaterin, Coach für Führungskräfte, Expertin für KVP.